Die Feldberg-Chronik von Bernard Graußbeck (1777-1861). Herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Thomas Martin Buck, Freiburg: Rombach 2023, 218 Seiten, € 22.
Zwischen 1805 und 1811 verfasste der Altglashüttener Kuratkaplan Bernard Graußbeck eine Chronik seiner Gemeinde. Der Freiburger Professor für Geschichtsdidaktik und Mediävist Thomas Martin Buck hat nun erstmals den vollständigen Text dieses lange vergessenen Geschichtswerks herausgegeben.
Das Buch stellt das früheste umfassende Geschichtswerk über die Feldbergregion dar. Es gewährt detaillierte Einblicke in die Besiedlung, kirchlichen Entwicklungen und das alltägliche Leben ihrer Bewohner im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert und dokumentiert erstmals umfassend die älteren geschichtlichen Entwicklungen der Feldberggemeinden. Es liefert eine fundierte Darstellung der Gründungsgeschichten der Gemeinden Altglashütten, Neuglashütten, Falkau und Bärental ab 1634 sowie der kirchlichen Verhältnisse seit 1799. Es ergänzt und vertieft damit auch die Frühgeschichte der Glasmachersiedlung Altglashütten, die Thomas Martin Buck bereits 2022 vorgelegt hat (siehe hierzu auch die Rezension von Edgar H. Tritschler in den „Schriften der Baar“ 66/2023, Seite 182 f.).
Bernard Graußbeck war ein akribischer Chronist. Seine Aufzeichnungen zeichnen sich durch eine klare Struktur und eine chronologisch geordnete Darstellung aus. Sein Schreibstil ist sachlich und analytisch, zugleich aber lebendig genug, um das historische Geschehen vorstellbar zu machen. Die detaillierten Beobachtungen waren nicht zur Veröffentlichung gedacht, sondern dienten als Grundlage für die Pfarrei, denn nur durch genaue Kenntnis der familiären Hintergründe jeder Person war eine gezielte Seelsorge im eigentlichen Sinne möglich. Die Beschreibung der Region und ihrer Bewohner sollte nachfolgenden Kaplänen oder Pfarrern als Orientierungshilfe dienen und war auf eine permanente Fortschreibung ausgelegt. Ausführlich schildert Graußbeck kirchliche Auseinandersetzungen, den Bau neuer Kirchen, die Rolle der Geistlichen in der Gemeinde und das Verhältnis zwischen Kirche und Bevölkerung. Durch die umfassende Darstellung religiöser und kirchlicher Entwicklungen ist die Chronik für die Erforschung der Kirchen- und Frömmigkeitsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts von Bedeutung.
Die Chronik geht jedoch weit über geistlich-kirchliche Aspekte hinaus und widmet sich ausführlich auch kultur-, sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Fragen. Sie zeigt, dass die Glasbläserei und die Flößerei zentrale Grundlagen des wirtschaftlichen Handels der Region waren. Sie berichtet über Naturkatastrophen und wirtschaftliche Krisen und gibt Aufschluss über das Verhältnis der Menschen zur Natur und die Herausforderungen, die sich aus der abgelegenen Lage der Feldberggemeinden ergaben. Deutlich wird, in welch prekären Verhältnissen die damaligen Bewohner lebten.
Die Bebilderung des Buches ist nicht besonders gelungen. Störend sind zudem unnötige Übersetzungen allgemein gebräuchlicher Fremdwörter wie „Autor“, „Interpretation“ oder sogar „publizieren“. Hierauf hätte, im Interesse einer besseren Lesbarkeit, verzichtet werden können. Einem aufmerksamen Lektor wäre auch ein Satz wie „Denn Texte sind nicht unantastbar und sakrosankt (=unantastbar)“ nicht durchgegangen. Zudem fehlt eine Landkarte der besprochenen Region, die dem Leser eine bessere räumliche Orientierung ermöglicht hätte.
Ungeachtet dessen ist die Chronik ein wichtiges Zeugnis der Regionalgeschichte. Thomas Martin Buck hat den Text nicht nur editiert, sondern ihn auch mit einer ausführlichen Einleitung und Kommentaren versehen, die den historischen Kontext und die Bedeutung der Chronik verdeutlichen. Seine Bearbeitung macht das Werk für eine breitere Leserschaft zugänglich, indem er sprachliche Anpassungen vornimmt und schwer verständliche Passagen erläutert. Historiker, Heimatforscher und kulturgeschichtlich Interessierte werden gleichermaßen von diesem Buch profitieren.
Gerhard Echle
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