Fischer, Horst: Evangelisches Leben in Donaueschingen: Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde. 230 S. 26 €. Donaueschingen 2024.
Mit einer Festveranstaltung im Juli 2024 in der evangelischen Kirche in Donaueschingen veröffentlichte der Baar-Verein den vierten Band seiner Veröffentlichungsreihe „Beiträge zur Region Schwarzwald–Baar–Heuberg“: Horst Fischers „Evangelisches Leben in Donaueschingen“. Im Gegensatz zu den Vorgängerbänden handelt es sich hier erstmals um ein Werk aus der Feder nur eines Autors.
Die Evangelische Kirchengemeinde Donaueschingen hat eine höchst ungewöhnliche Geschichte, die nicht wie sonst in katholisch geprägten Orten mit der Ansiedlung einzelner Protestanten Mitte oder Ende des 19. Jahrhunderts begann, sondern bereits 1818 mit der Heirat des katholischen Fürsten Karl Egon II. zu Fürstenberg und der evangelischen Prinzessin Amalie von Baden. Im Heiratsvertrag verpflichtete sich das Haus Fürstenberg, der angehenden Fürstin einen eigenen Hofprediger zur Seite zu stellen. Dank der Vermittlung von Johann Peter Hebel fand man Franz Becker, der in den folgenden Jahrzehnten nicht nur als evangelischer Seelsorger tätig war, sondern auch das kulturelle Leben des Städtchens mitprägte. Die kleine „Schlossgemeinde“ traf sich in einem eigens vom Fürsten zur Verfügung gestellten Raum im 2. Obergeschoss des Schlosses.
Horst Fischer, der sich seit Jahren mit der Geschichte der Kirchengemeinde beschäftigt, stellt auf der Grundlage eines intensiven Quellenstudiums die Anfänge der Evangelischen Gemeinde ausführlich dar. In der Tat lässt sich auch die weitere Entwicklung der Donaueschinger Gemeinde bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts nur vor dem Hintergrund der Fürstenhochzeit von 1818 verstehen. Erst seit 1870 lernte die Gemeinde allmählich, auf eigenen Füßen zu stehen und bildete eine selbstständige Diaspora-Gemeinschaft aus. Tonangebend in der Gemeinde waren höhere Beamte im Dienst von Staat und Fürstenhaus, die häufig nur wenige Jahre in Donaueschingen tätig und kirchlich liberal eingestellt waren. Konfessionelle Mischehen waren ein ständiger Zankapfel zwischen den Betroffenen und beiden Amtskirchen.
Schockartig müssen die Besuche Kaiser Wilhelms II. gewirkt haben, der seine sehr eigenen Vorstellungen von Gottesdienstzeiten und Kirchenschmuck umstandslos umsetzen ließ. So wurde der Gemeinde auch der Bau einer neuen Kirche 1913 aufgepfropft – über die Baupläne entschied der Kaiser während einer Mittelmeerreise auf Korfu. Zum Glück besaß die fürstenbergische Verwaltung damals mit Joseph Graf einen höchst fähigen Architekten, der das neue Wiesbadener Programm des evangelischen Kirchenbaus umzusetzen verstand und in Donaueschingen ein qualitätsvolles Werk typisch protestantischer Prägung schuf, das sich den nach dem Stadtbrand von 1908 in Donaueschingen entstandenen Neubauten an der Max-Egon- und der Zeppelinstraße nahtlos einpasste und jenseits der Brigach einen eigenen Akzent setzte. Fischer gelingt es hervorragend, anhand der weiteren Baugeschichte der Kirche zwischen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und Gemeindereformen in der Nachkriegszeit, auch die innere Entwicklung der evangelischen Gemeinde nachzuvollziehen.
Besonders anregend wirkt das Buch an den Stellen, bei denen Fischer – selbst zwei Jahrzehnte lang Kirchenältester in Donaueschingen – aus eigenem Erleben erzählt, so etwa über die Bemühungen der katholischen und evangelischen Gemeinde um die Ökumene. Auch die lange Amtszeit von Pfarrer Walter Gomer (1968–1995 Pfarrer in Donaueschingen) erhält eine ausführliche Würdigung, erlebte die evangelische Kirche doch in den 1970er und 1980er Jahren wie in ganz Deutschland so auch in Donaueschingen zweifellos einen Höhepunkt ihrer seelsorgerischen Tätigkeit.
Die quellengesättigte Darstellung wird auf diese Weise zu echter, erzählter Geschichte. Horst Fischer – als Gymnasiallehrer ein gelernter Pädagoge – weiß den Leser in seinen Bann zu ziehen.
Jörg Martin
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